2. Fortschrittsbericht Februar 2016
1. Ausgangssituation, gesellschaftliche Problemanalyse & Flüchtlingsbewegungen
Der Kongo ist und bleibt ein Ort gewalttätiger Übergriffe und Auseinandersetzungen. Vor allem in den Regionen Masisi, Rutshuru, Lubero und Beni nehmen die Zahl der Übergriffe zu, ebenfalls die Grausamkeiten der Taten. Unschuldige werden auf ihren Feldern überfallen und entführt, manche direkt oder in Gefangenschaft umgebracht. Folgende Rebellengruppen sind in den einzelnen Regionen aktiv:
Masisi: Mayi Mayi -Tcheka, Mayi Mayi - Nyatura, FDLR, Lubero: ADF-Nalu, Beni: ADF-Nalu, Rutshuru: FDLR
Hinzu kommen Stammeskonflikte vor allem in der Region Masisi zwischen Hutu, Tutsi und Nande, die die Unsicherheit weiter erhöhen.
Ein Großteil der Menschen aus den oben genannten Regionen flüchtet deshalb nach Butembo, direkt in die Stadt oder in die sie umgebende Region. Dort ist es bisher relativ ruhig, wahrscheinlich aufgrund einer relativen wirtschaftlichen Stabilität und der Tatsache, dass der Gouverneur der Region Nord-Kivu dort beheimatet ist.
Die Herausforderungen nehmen also weiterhin zu, wie bereits im letzten Bericht Ende August 2015 und auch bei dem Treffen im Dezember konstatiert. Gewisse Institutionen sehen voraus, dass es in den kommenden Monaten zu weiteren Ausschreitungen kommen wird. Die Rolle der „Femmes Engagées pour la Promotion de la Santé Intégral“ (FEPSI) wird an Wichtigkeit zunehmen. Auch weil die Initiativen und Aktivitäten der Regierung – lokal und national – nicht zunehmen: sie bleiben passiv, versprechen viel, halten wenig.
Die steigende Anzahl der Übergriffe zeigt, dass die Strategie der Kapazitätserweiterung – qualitativ und quantitativ – der richtige Weg in die Zukunft des Krankenhauses ist. Auch die kostenfreie Behandlung von Vergewaltigungsopfern, HIV-positiven und Aids-erkrankten Menschen sowie intern Vertriebenen muss aufrecht erhalten werden; die Flüchtlinge haben zwischen den einzelnen Phasen der Rebellenaktivitäten und der Flucht immer weniger Zeit sich einen Grundstock an Vermögen aufzubauen. Mittel für medizinische Behandlungen gibt es keine. Neben den oben genannten Aggressionen finden auch weiterhin vor allem sexuelle Übergriffe innerhalb der Familien und Nachbarschaften statt. Die Aufklärung in der Gesellschaft muss weiter vorangetrieben werden.
2. Stand des Projektes
Ziel dieses Projektes ist die Verbesserung der Kinder- und Müttergesundheit in Butembo und Umgebung, im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Die Erweiterung des FEPSI-Gebäudes, eine nachhaltige Qualitätsverbesserung der medizinischen und psychologischen Versorgung sowie Ernährungsschulungen im „Centre Hospitalier FEPSI“ in Butembo sollen erfolgreich zu diesem Ziel führen.
Im Rahmen des Projektes sind drei Resultate definiert, die im Folgenden zusammen mit den bisher umgesetzten Aktivitäten (seit dem letzten Bericht) aufgeführt sind:
a) Räumlichkeiten, Platz und die Möglichkeit zur Wasserbevorratung sind verbessert
Der Bau der Grundstruktur des Krankenhauses ist sehr weit fortgeschritten. Die Mauern der ersten Etage stehen bis zum Ringanker, der die erste Etage mit dem Boden der zweiten verbindet; die Zisterne ist ebenfalls fast vollständig fertiggestellt: es fehlen nur noch die Abdeckung, die Reinigung der Zisterne und die Installation der Pumpe. Insgesamt kann von einem Arbeitsfortschritt von 85 Prozent gesprochen werden.
b) Die Qualität der medizinischen und psychologischen Leistungen des Krankenhauses sowie die Autonomie des Krankenhauses sind verbessert.
Seit Ende August vergangenen Jahres hat FEPSI 27 neue Fälle von sexueller Gewalt registriert. Die Patienten/innen wurden psychologisch und medizinisch behandelt. Auch die sozio-ökonomische Betreuung hat wie in diesen Fällen üblich stattgefunden. Dem FEPSI-Team war es außerdem möglich, 18 ältere Fälle weiterhin zu betreuen, von denen fünf Patientinnen von ihren Peinigern geschwängert wurden.
Im Dezember und Januar waren zwei Spezialisten des kongolesischen Krankenhauses HEAL Africa (http://www.healafrica.org/) für jeweils zehn Tage bei den Kollegen in Butembo und haben Ärzte wie auch Krankenschwestern weitergebildet. Speziell ging es bei dem Besuch um die Themen der verbesserten Behandlung von Überlebenden sexueller Gewalt und HIV-Infizierten Patienten. Den Bericht zu diesem Austausch finden Sie im Anhang.
Um die Autonomie des Krankenhauses zu steigern, besitzt FEPSI ein Feld in Bunyuka. Dort wird eine kleine Schweinzucht aufgebaut – die kurz vor der Fertigstellung steht - und medizinische Pflanzen auf einem FEPSI-Feld in Bunyuka angebaut und eine Apothekerin angestellt; Kavugho Safi Zawadi wird hauptsächlich für die Produktion eigener Medikamente zuständig sein und somit die Eigenständigkeit des Krankenhauses weiter vorantreiben. Das Augenmerk liegt zurzeit auf der Produktion von Eukalyptus-Sirup.
c) Das Wissen der Patienten zu Ernährungsfragen hat sich erweitert.
Ein Ernährungsberater wurde zu Anfang dieses Jahres angestellt. 29 Schulungen hat er bereits durchgeführt. Insgesamt waren dabei 458 Teilnehmer anwesend, davon 363 Frauen (79,26 Prozent) und 95 Männer. Neben der Sensibilisierung der Patienten im FEPSI-Krankenhaus ist der Ernährungsberater auch in einzelne Gemeinden gefahren, um mit der Bevölkerung vor Ort zu sprechen.
Die Teilnehmer an den Schulungen können in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden: Patienten mit allgemeinen Erkrankungen, Überlebende sexueller Gewalt, HIV-Infizierte und Aids-Erkrankte sowie schwangere Frauen und andere. Eine Gruppierung kann deswegen vorgenommen werden, weil es sich um Patienten des FEPSI-Krankenhauses handelt. Grundsätzlich ist es auch wichtig die Zielgruppen zu kennen, da sie jeweils andere Schulungs-Bedarfe haben; eine Stigmatisierung wird hierbei allerdings dringend vermieden.
Die theoretische Weiterbildung beinhaltet folgende Themen: Lebensmittelhygiene, Lebensmittelzubereitung (Gemüse, Knollen, Brei auf Basis der lokal verfügbaren Produkte etc.), Ernährung während einer Schwangerschaft, Ernährung im Alter und Toxizitätsgrad einzelner Lebensmittel. Der praktische Teil der Schulungen befindet sich in der Vorbereitung.
Insgesamt schreiten alle Aktivitäten gut und erfolgreich.
3. Die nächsten konkreten Schritte
a) Die Bauarbeiten des neuen Gebäudes und der Zisterne werden voraussichtlich im März beendet werden. Am 8. Februar 2016 hat eine Begehung mit dem Welthungerhilfe-Ingenieur Faly Rahaingoson stattgefunden; der bisherige Fortschritt wurde gemeinsam mit den drei beauftragen Unternehmen begutachtet und nächste Schritte geplant. (Im Anhang befinden sich das Protokoll der Begehung und einige Fotos.) Sind alle Arbeiten durchgeführt, wird es eine offizielle Feier geben, zu der alle Beteiligten – FEPSI, Welthungerhilfe, beteiligte Unternehmen und die Tereska Stiftung – eingeladen werden. Außerdem wird ein Training mit FEPSI-Mitarbeitern stattfinden, um ihnen die ordnungsgemäße Nutzung der elektrischen Pumpe zu erläutern und eine regelmäßige Wartung durch FEPSI-Personal gewährleisten zu können.
b) Der neu angestellte Ernährungsberater Kavusa Muhavirwa Emmanuel wird in den kommenden Wochen 45 Schulungen mit Frauen und ihren Familien durchführen; vor allem schwangere Frauen und Kleinkinder haben einen großen Bedarf einer ausgewogenen Ernährung: sie sind besonders anfällig für Krankheiten und der Ausbildung von Entwicklungsstörungen. Nach den ersten theoretischen Sitzungen werden die praktischen Anleitungen alsbald möglich folgen. Nach den ersten Erfahrungen ist er zurzeit dabei die Schwerpunkte seiner Arbeit festzulegen und die Aktivitäten langfristig zu planen. Stück für Stück macht er sich einen Überblick, welche Mittel er benötigt und wie er die einzelnen Sensibilisierungen auf jede Zielgruppe ausrichten kann.
c) Für den Schweinestall auf dem FEPSI-Grundstück in Bunyuka wird FEPSI noch im Februar vier Säue und einen Eber kaufen, die in dem richtigen Alter zur Fortpflanzung sind. Über den Verkauf der Ferkel generiert das Krankenhaus langfristig Einnahmen – alle sechs Monate ungefähr 50 US-Dollar pro Ferkel, bei vier Säuen und durchschnittlich sechs Ferkel pro Sau - und bietet damit ein Standbein auf dem Weg in die Selbständigkeit. Um diesen Prozess abzusichern – und das Terrain an sich zu schützen -, werden zwei Wächter auf dem Grundstück wohnen; für sie wird bis Mitte März eine kleine Hütte fertig gestellt.
d) Auf dem Feld in Bunyuka wird nicht nur eine Schweinezucht aufgebaut; FEPSI baut auch pharmazeutische Pflanzen an - zurzeit vor allem Eukalyptus. Mit der Anstellung der Pharmazeutin Kavugho Safi Zawadi können die Pflanzen bald geerntet und die Produktion der Medikamente begonnen werden. Außerdem wird die Kollegin den Anbau sowie die Nutzung weiterer Pflanzen evaluieren, um die Autonomie des Krankenhauses voranzutreiben.
e) Muhindo Masinda Justin, FEPSI-Mitarbeiter und Welthungerhilfe-Ansprechpartner, wird gemeinsam mit dem Projektassistenten der Welthungerhilfe in Beni den FEPSI-Doktor Mumbere Mulisya Olivier in Mbarara/ Uganda besuchen, um den Austausch zwischen der Universität und FEPSI voranzutreiben und nachhaltig zu verbessern. Dr. Olivier bereitet in Mbarara mittlerweile seine Master-Thesis zu dem Thema „Prävalenz und damit verbundene Risikofaktoren von Blasenmolen nach einer Abtreibung/ Ausschabung bei Patientinnen des Mbarara Regional Referral Hospital“ vor und wird nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums im kommenden Jahr zu FEPSI zurückkehren: mit neuen Kenntnissen und Fähigkeiten, die er mit den Kollegen in Butembo teilen und die Qualität wie auch das Image FEPSIs erhöhen wird.
f) Nach dem Besuch der zwei kongolesischen Spezialisten werden im März und April zwei europäische Experten für circa drei Wochen im Krankenhaus arbeiten und sich für die Verbesserung der Abläufe und der Qualität in den folgenden Bereichen einsetzen: Labortechnik, Krankenhausmanagement, Anästhesie, Reanimation.
g) Die psychologische und medizinische Behandlung von Vergewaltigungsopfern wird weiter gestärkt und durchgeführt.
h) Der Austausch des FEPSI-Personals mit den Kollegen anderer Gesundheitsinstitutionen – wie anderen Krankenhäusern, staatlichen Institutionen und Autoritäten - in der Region soll ebenfalls weiterhin gestärkt werden: um Kontakte zu pflegen, das Netzwerk auszubauen, Expertise zu entwickeln und das Krankenhauses in allen Ebenen der Gesellschaft zu etablieren.
i) Die in dem Projektvorschlag und –budget vorgesehen Geräte und anderes Equipment wird in den kommenden Wochen gekauft bzw. wird der Kauf im Falle einer Ausschreibungspflicht vorbereitet.
4. Genereller Ausblick
An der Situation in der Region Butembo und Umgebung hat sich seit der letzten Berichterstattung im August 2015 und dem Treffen der Welthungerhilfe mit der Tereska Stiftung in Köln Ende Dezember 2015 (leider) nichts verändert. Die Entwicklungen zur anstehenden Wahl sind noch immer nicht abzusehen: Wird es Wahlen geben? Unter welchen Umständen werden sie stattfinden können? Es gibt Mutmaßungen, die nichts Gutes verheißen: ab Mitte Juni solle es unruhig werden im Osten des Landes, vor allem in den beiden Regionen Nord- und Süd-Kivu, sagen manche Schätzungen. Vielleicht wird es länger dauern, bis die eine oder die andere Interessengruppe für ihre (vermeintlichen) Rechte eintritt und die Situation sich verschärft. Dass es ruhig bleiben wird – damit rechnet allerdings kaum jemand.